Fünf Regeln für eine andere Sichtweise auf die Stadtautobahn
Wenn sich in einer Region mehrere Jahrzehnte lang eine Überlastung des Straßenverkehrsnetzes abzeichnet und sich die Zeichen für eine städtische „Thrombose“ mehren, dann ist das gesamte wirtschaftliche Ökosystem und die Life Balance in der Region gefährdet. Vor diesem Hintergrund darf die Wiederaufnahme eines alten Projekts zur Verbindung zweier bestehender Autobahnen im Zentrum des städtischen Raums zunächst nicht nur mit den Augen des Straßenbauunternehmens betrachtet werden, sondern muss in erster Linie aus der Sichtweise des Experten für städtische Funktionen und Wohlergehen der Bürger angegangen werden. Welche Regeln sind zu beachten, um die Straßen in den Mittelpunkt eines bürgernahen Projekts zu rücken?
Erste Regel: die „Funktionen“ der Verkehrsachse bewerten
Ihre Funktion ist nicht, einen Punkt A mit einem Punkt B zu verbinden, sondern die Fahrzeit von A nach B von 45 Min. auf 10 Min, zu reduzieren, damit die Bewohner Zeit einsparen. Die zweite Funktion ist, die Unfallrate und damit auch die wirtschaftlichen und sozialen Kosten zu verringern; bei der dritten Funktion geht es darum, die CO2-Bilanz und die Lärmbelästigung für die Anwohner der bereits bestehenden Verkehrswege zu reduzieren. Und schließlich geht es darum, den auf den überbauten Teilen der Verkehrsachse entstandenen Raum für neue Flächen zur Schaffung von städtischen Infrastrukturen zu nutzen.
Zweite Regel: messbare Daten für jede Funktion erfassen
Sozioökonomische Studien geben Auskunft über die Auswirkungen der Infrastruktur auf die Wirtschaft der Region (wirtschaftliche Kosten der Staus, Vorteile durch besseren Zugang zu den Gewerbegebieten), über die Auswirkungen der reduzierten Unfallrate (auf Autobahnen passieren bei gleichem Verkehrsaufkommen weniger Unfälle als auf den Nebenstraßen), über die Vorteile für die Umwelt durch Reduzierung der Abgasemissionen bei gleichem Verkehrsaufkommen (in diesem Fall 100 000 Fahrzeuge pro Tag in 10 Min. statt in 45 Min.) oder über die Aufbereitung von Niederschlagswasser auf der betroffenen Straße. Und schließlich ist zur Reduzierung der Lärmbelästigung eine Überbauung erforderlich, wie zum Beispiel in Marseille mit der Überbauung der L2 auf mehr als 50 % dieses Verkehrswegs. Diese Überbauung ermöglicht einerseits einen flüssigeren Verkehr, da auch der überbaute Teil befahren werden kann, und andererseits können auf diesen Überbauungen neue städtische Infrastrukturen für die Bewohner geschaffen werden, wie Gärten oder Sportanlagen.
Dritte Regel: die Steuerung
Eine Autobahn funktioniert nicht allein. Der Verkehr muss überwacht und gesteuert werden, um bei Unfällen oder Staus schnell handeln und die Sicherheit der Nutzer gewährleisten zu können. Die Steuerung erfolgt über technische Systeme zur Kontrolle der Verkehrsdatenerfassung, Videoüberwachung, Unfallerkennung und dynamischen Signalgebung. Weitere Systeme sind für die Sicherheit der Einrichtungen und Personen im Tunnel zuständig, wie zum Beispiel die Lüftung, Vorrichtungen zum Schließen des Tunnels oder Sensoren für die Luftqualität. Um einen optimalen Betrieb der Infrastruktur zu ermöglichen, werden alle diese technischen Systeme wiederum von einem „Hypervision“-System gesteuert, das auf die jeweiligen Anforderungen des Betreibers und die Funktionen der Verkehrsachse abgestimmt ist.
Eine Verkehrsachse ist heute ein Informationssystem mit Programmen zur Erfassung und Weiterleitung von Daten, zur Datenverarbeitung und Wiedergabe dieser Daten. Darüber hinaus sind Tools zur Entscheidungsfindung, zur Intervention und Fernsteuerung der Ausrüstungen erforderlich, um den Verkehr zu steuern und eventuell zur Entlastung auf alternative Strecken umzuleiten.

Die ungeahnte Rolle der Bluetooth-Funktion Ihres Autos
Die Geschwindigkeitsmessgeräte der Fahrzeuge liefern bei Geschwindigkeiten von ca. 10 km/h keine präzisen Angaben. Die Bluetooth-Technologie eignet sich insbesondere zur Messung langsamer Bewegungen. Wie funktioniert das? An der Ein- und Ausfahrt eines Tunnels werden Balisen zur Erfassung von Bluetooth-Signalen installiert. Diese Balisen erkennen die Fahrzeuge oder mobilen Ausrüstungen, die ihr Bluetooth-Signal aktiviert haben. Die Signale jedes Geräts werden an der Einfahrt und an der Ausfahrt des Tunnels erfasst und ermöglichen so eine präzise Berechnung der Zeit zwischen zwei Balisen und daher auch der Geschwindigkeit. Bei einem Brand hängt der Aktionsplan von der Geschwindigkeit der Fahrzeuge ab: So kann das für die Fahrer sicherste Lüftungs- oder Rauchabzugsszenario gewählt werden.
Vierte Regel: Antizipation
Die Gewährleistung der Funktionen beruht im Vorfeld auf der Antizipation, das heißt der Definition und Umsetzung von genormten Betriebsprozessen. Bei einem Unfall wird der Betreiber per Video oder Meldung auf einem Warnbildschirm informiert. Durch diese Alarmmeldungen werden automatisch Vorschläge für Aktionspläne aktiviert, die von den anderen Systemen nach Entscheidung des Betreibers ausgeführt werden: dynamische Geschwindigkeitsbegrenzung, Einschalten der Warnsignale und Verkehrszeichen zur Zuweisung der Fahrbahnen, Anzeige von Meldungen auf Leuchttafeln, Ausstrahlung von Funkmeldungen, Schließen der Schranken an der Einfahrt zum Tunnel, Rauchabzug, …
Fünfte Regel: technologische und städtische Integration
Eine Verkehrsachse ist eine Komponente eines umfassenden Netzes. Sie kommuniziert mit anderen Zufahrtsstraßen. Beispiel: Die Erfassung von Fahrzeugen, die die Begrenzungslinie überschreiten, erfolgt im Vorfeld durch eine Laservorrichtung und Kameras auf den Zufahrtsstraßen. Bei Erfassung einer nicht zulässigen Fahrzeugbegrenzungslinie und des Nummernschilds werden die zuständigen Abteilungen informiert und auf den Leuchttafeln wird eine Nachricht mit dem amtlichen Kennzeichen angezeigt, über die das betroffene Fahrzeug aufgefordert wird, die Straßen zu verlassen. Wenn das Fahrzeug seine Fahrt fortsetzt, wird auf einer zweiten Leuchttafel eine weitere Nachricht angezeigt, die den Fahrer zum sofortigen Verlassen auffordert und ihn zu einem geeigneten Parkplatz leitet. Ein ähnliches Protokoll gilt für Gefahrentransporte. Die Stadtautobahn ist mit dem restlichen Straßennetz der Stadt verbunden. An den Ein- und Ausfahrten befinden sich Kreuzungen mit Ampeln, die von der Leitstelle gesteuert werden. Eine Stadtautobahn ist ausschließlich für Fahrzeuge und motorisierte Zweiräder bestimmt, Fußgänger und Radfahrer sind davon nicht betroffen. Bei Überbauungen gibt es jedoch die Möglichkeit, Radwege oder breite Bürgersteige für Fußgänger einzurichten. Darüber hinaus müssen alle Ampelkreuzungen an den Ein- und Ausfahrten überarbeitet werden, um öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Straßenbahn Vorfahrt zu gewähren.
Die zentralisierte technische Steuerung der Stadtumgehung L2 in Marseille
Die Stadtumgehung L2 ist die Autobahn A507, die die A7 mit der A50 verbindet. Sie gehört zum transeuropäischen Straßennetz. Sie umfasst 8 Tunnel, die 52 % der Länge dieser Stadtumgehung ausmachen.

Bouygues Energies & Services, Bevollmächtigter der Unternehmensgruppe EFE (Bouygues E&S/Aximum/Egis Projects), war für die Konzeption, Realisierung und Inbetriebnahme der Verkehrssteuerungs- und Sicherheitssysteme der Stadtautobahn mit der besten Ausstattung in ganz Frankreich zuständig: 400 Kameras, im Wesentlichen für die automatische Erfassung von Unfällen, 500 dynamische Leuchttafeln, 200 Fahrzeugzählstationen, 180 Notrufsäulen, 80 km Glasfasernetz … auf 10 km Autobahn.
Das Überwachungssystem stellt die Schnittstelle zwischen allen Ausrüstungen des Betreibers (DIR Méditerranée) dar und bietet eine Entscheidungshilfefunktion bei Unfällen. Es ermöglicht auch die Messung von geringem Verkehrsaufkommen im Tunnel über Bluetooth-Erfassung, die Steuerung der Lüftung im Tunnel in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Fahrzeuge, die Erkennung von LKW, die die Begrenzungslinie überschreiten oder Gefahrstoffe transportieren, mit automatischer Erfassung ihrer Nummernschilder …